Wer heute einen Hof übernehmen oder gar neu gründen will, steht vor großen Herausforderungen – allem voran den in vielen Regionen durch Spekulation drastisch gestiegenen Bodenpreisen, die kleinere und ökologisch wirtschaftende Betriebe kaum aufbringen können. Hier setzt das gemeinwohlorientierte Konzept der Kulturland-Genossenschaft an: Zusammen mit engagierten Bürger:innen kauft sie landwirtschaftlich genutzte Flächen und verpachtet sie langfristig zu fairen Konditionen an Bio-Betriebe. Knapp 50 Partnerhöfe sind mittlerweile bundesweit Teil der Initiative, bereits 721 Hektar wertvolles Land konnten gekauft und dauerhaft für den Ökolandbau gesichert werden. Für die aktuell rund 2600 Mitglieder, die einen oder mehrere der Genossenschaftsanteile à 500 Euro gezeichnet haben, steht die ideelle Rendite im Vordergrund – eine Verzinsung des eingebrachten Geldes ist angesichts der derzeitigen Ertragswerte in der Landwirtschaft nicht möglich.
„Ich freue mich immer ganz besonders, wenn es uns gelingt, jungen Menschen den Einstieg in die ökologische Landwirtschaft zu ermöglichen“, sagt Kulturland-Vorstand Stephan Illi. Der frühere Demeter-Vorstand engagiert sich seit der Gründung im Jahr 2013 für die Genossenschaft. „Schlechte Nachrichten gibt es genug. Wir brauchen positive Beispiele für gelingendes gesellschaftliches Handeln– und Kulturland hat jede Menge davon“, ist er überzeugt. Begeistert erzählt er von einer Betriebsneugründung vor den Toren Münsters, wo Sarah und David Büchler 2022 den Bauernhof Biolee eröffneten. „Mit den leckeren Bio-Fritten, die sie mit ihrer mobilen Eventgastronomie Pommbuur verkaufen, haben sich die beiden schnell einen Namen gemacht“, berichtet Stephan Illi. „So war es möglich, über Kulturland in kurzer Zeit genügend Menschen zu finden, die Biolee unterstützen wollten und geholfen haben, gemeinsam das notwendige Land zu kaufen.“
David vs. Goliath reloaded
Der kleine Hof entwickelte sich bald zum beliebten Ausflugsziel, an dem Besucher:innen Bio-Landwirtschaft mit allen Sinnen erleben. Sie können mit eigenen Händen nach Kartoffeln graben, an der Blühwiese die Insekten summen hören oder beim „Erlebnis-Abo“ alles über Landwirtschaft lernen. Die beliebten Fritten und andere Erzeugnisse werden klimafreundlich in die Stadt geradelt.
Doch im Frühjahr 2024 drohte dem Projekt plötzlich das Aus: Die Genehmigungsbehörde wollte dem neuen Gemeinschaftseigentum einen Riegel vorschieben und einem großen konventionellen Betrieb das Vorkaufsrecht einräumen. Dagegen hat Kulturland mit den jungen Pächtern geklagt und ein paar Monate später in erster Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Recht bekommen: Betriebsneugründungen in Kombination mit Gemeinschaftseigentum seien im Sinne des Agrarstrukturgesetzes förderungswürdig, so das Gericht. Die unterlegene Landwirtschaftskammer ist in Revision gegangen, die nächste Verhandlung ist für Anfang September 2025 angesetzt.
Solche Auseinandersetzungen zeigen, wie wichtig Solidarität und Unterstützung für kleinere Betriebe sind – und wie existenziell die Frage der Bodensicherung ist. Auch zur Gründung der Kulturland-Genossenschaft kam es im Zuge eines konkreten Notfalls: Damals musste die Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach am Bodensee kurzfristig Geld aufbringen, weil langjährig bewirtschaftetes Pachtland plötzlich verkauft werden sollte. Gemeinsam mit Unterstützer:innen aus dem Umfeld des Betriebs entstand der Impuls, neue Eigentums- und Finanzierungsmodelle für derartige Fälle zu entwickeln. Ähnliche Initiativen gab es bereits in den 1970er und 1980er Jahren, als mit Unterstützung der GLS Bank und GLS Treuhand Landwirtschaftsgemeinschaften und gemeinnützige Trägervereine für einzelne biodynamisch wirtschaftende Betriebe gegründet wurden.
Genossenschaftlich ackern
Kulturland setzte von Anfang an auf eine überregionale Struktur, die unter anderem notwendige administrative Aufgaben effizienter bündeln kann. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch die etwas später gegründete GLS-nahe BioBoden-Genossenschaft, die gerade ihr zehnjähriges Bestehen feierte und mit rund 7000 Mitgliedern 90 Partnerhöfe mit 5000 Hektar Fläche unterstützt. Anders als bei BioBoden können die Kulturland-Mitglieder konkret entscheiden, für welchen Betrieb sie den Landkauf unterstützen wollen – und wie das Beispiel Biolee in Münster zeigt, spielt die persönliche Beziehung zum Hof häufig eine große Rolle, so Stephan Illis Erfahrung. „100 Jahre nach Rudolf Steiners Tod und seiner Anregung, dass Boden keine Ware sein darf, suchen wir nach zukunftsweisenden Lösungen für eine gemeinwohlorientierte Landwirtschaft“, sagt er. „Wir hoffen natürlich, dass solche solidarischen Modelle weiter gesellschaftliche Unterstützung erhalten. Gerade jetzt, im von den Vereinten Nationen ausgerufenen Internationalen Jahr der Genossenschaften, ist uns weiterer Rückenwind willkommen!“ ///
Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe Juni 2025.

