Im Wald und ohne Handy

Fröhlicher Schüler. © Racle-Fotodesign, AdobeStock
© Racle-Fotodesign, AdobeStock

Aus “Beziehungsweise Schule” – der info3-Kolumne von Nadine Mescher.

Ja, es gibt sie noch, meine Kolumne. Das bedeutet also auch, dass sowohl meine siebte Klasse als auch ihre Lehrerin das beim letzten Mal angekündigte Forstpraktikum, den Jugendwaldeinsatz, unbeschadet überstanden haben. Mehr noch. Liebe Leserin, lieber Leser, es stimmt: Es war ein großes Abenteuer. Ein echtes. Ein wahres Abenteuer. Mitten im Wald. Während die Schülerin, die zuvor Bedenken geäußert hatte, ohne Handy vielleicht zu viel zu verpassen, mir ziemlich bald kundtat: „Es ist eigentlich ganz schön ohne Handy. Ehrlich gesagt vermisse ich es überhaupt nicht.“ Ja, währenddessen schienen manche Eltern ihr Handy zu hypnotisieren, damit ich endlich mal ein Lebenszeichen von ihrem Kind sende. „Wenn Sie nichts hören, ist alles gut.“ Dieser Satz galt vielleicht noch vor ein paar Jahren, auch noch, als meine eigenen Kinder in diesem Alter waren. Heute sind es mitunter die Eltern, die sich ebenso daran gewöhnen mussten, mal keinen digitalen Zugriff auf ihr Kind zu haben. So habe ich täglich kleinere Anfragen beantwortet: Ja, es geht ihr gut. Nein, er hat wirklich kein Heimweh.

Um mich danach selbst ganz unserem Abenteuer hinzugeben. Ich möchte nun Sie und Euch in dankbarer Erinnerung mitnehmen, hin zum wundervollsten Abend meiner bisherigen Laufbahn als Lehrerin. Als sich die Abenddämmerung zeigte, machten wir uns auf den Weg in den Wald. Der Abendhimmel strahlte in wunderschönen rot-goldenen Farben. In dem Bewusstsein, dass wir wirklich ganz leise sein müssen, wenn wir Tiere hautnah erleben möchten, gingen wir diesmal mit besonders leisen Füßen (kein Problem für eine Audiopädie-Klasse!) über das weiche Moos. Niemand sagte ein Wort. Stille. Wir blieben stehen und da war es! Wir hörten ein wunderschönes Wolfsgeheul. Minutenlang. Wirklich nah, ganz deutlich. Gänsehaut. Mir schossen Tränen in die Augen. Es waren ergreifende Momente. Nie habe ich in der Natur etwas Schöneres gehört! Auch die Kinder waren ganz verzaubert. Es entstand eine Atmosphäre des Staunens, der Herzöffnung und großer Dankbarkeit, einfach unbeschreiblich. Als wir leise (und als Gruppe eng beisammen) weitergingen, ließ sich eine Fledermaus mit dem Detektor orten. Kurz darauf flog auch schon der schwarze Schatten nur knapp über unsere Köpfe hinweg. Wir genossen weiter Schritt für Schritt. Die Vogelstimmen wurden weniger. Die Himmelsfarben tiefblau, bald konnten wir einen schwarzen, sternenklaren Nachthimmel bewundern. Den großen Wagen ganz klar sehen. Wir setzten uns zu einem großen Kreis auf den weichen Waldboden. Einfach nur sein. Die Klasse war weiterhin ganz in staunender Ruhe.

Das Jugendwaldheim hatte für uns den Rückweg mit kleinen LED-Teelichtern markiert. Im tief Dunklen stand nun eine Mutprobe an. Allein oder zu zweit durften sich die Schüler:innen von hier aus auf den Rückweg machen. Noch einmal ohne die restliche Gruppe für sich ganz allein die Magie des Waldes spüren, den Weg zurück finden, lauschen, erleben. Ja, dieser abendliche Waldspaziergang wird mir immer in ganz besonderer Erinnerung bleiben – und der Klasse ganz sicher auch.

Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe Juli/August 2025.

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Über den Autor / die Autorin

Nadine Mescher

Nadine Mescher ist Waldorflehrerin und freie Autorin. Seit die eigenen drei Kinder groß geworden sind, publiziert sie Pädagogisches, unter anderem auf montagskindblog.de und bei Instagram.