Außergewöhnlichstes Charakteristikum der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise und deshalb in den Demeter-Richtlinien entsprechend verbindlich verankert ist der Einsatz der Präparate, jener speziellen Zubereitungen aus Heilkräutern, Mineralien und Kuhdung. Sie werden auf den Höfen meist selbst hergestellt und fein dosiert eingesetzt, denn sie wirken nicht durch die Menge, sondern als feinstoffliche Information, vergleichbar mit den Prinzipien der Homöopathie. Rudolf Steiner war überzeugt davon, dass Lebensmittel nur dann die Qualität erreichen, die uns Menschen Weiterentwicklung ermöglicht, wenn bei ihrer Erzeugung sämtliche Einflussfaktoren beachtet werden: kosmische Rhythmen, der Boden als Verdauungsorgan der Pflanze, seelische Kräfte des Tieres und nicht zuletzt die Zuwendung des Menschen. All das soll im Hoforganismus harmonisch miteinander wirken. Um diese Kräfte zusammenzuführen und zu ordnen, hat Steiner 1924 die biodynamischen Präparate eingeführt. Der Mensch nimmt für ihre Herstellung Substanzen aus der Natur und setzt sie natürlichen Kräften aus, um sie dann in veränderter Form der Natur wieder zuzuführen. Die biodynamischen Präparate werden „Heilmittel für die Erde“, so kommentiert Demeter das.
Die sogenannten Kompostpräparate reichern Mist, Pflanzenkompost oder Gülle an. Über diesen natürlichen Dünger kommen sie dann auf Felder und an Pflanzen. Die Spritzpräparate Hornmist und Hornkiesel werden in minimalen Dosierungen auf Boden und Pflanzen fein vernebelt gespritzt. Zuvor verrührt man sie rhythmisch im Wasser. Die Kompostpräparate entstehen aus den Heilpflanzen Brennnessel, Schafgarbe, Kamille, Eichenrinde, Löwenzahn und Baldrian. Auf den Höfen wird über das Jahr hinweg der Rohstoff gesammelt und getrocknet. Auf vielen Höfen kommt er dann zu Michaeli in die von Steiner vorgeschlagenen tierischen Organhüllen wie Schädel, Darm oder Blase. Biodynamiker gehen davon aus, dass diese Hüllen mit den Pflanzen in einer heilenden Beziehung stehen. Michaeli setzt das Signal, die gut in Horn, Darm, Blase verpackten Substanzen im Boden zu vergraben. Mindestens ein halbes Jahr bleiben sie dort, bevor sie dann verwandelt genutzt werden können.
Mit Löffeln füllen die Landwirte beim Präparate-Treffen fein vermahlenen Quarz in Hörner. Ein Stückchen weiter kommt der Kuhmist ins Horn. Die trocknen Blüten der Schafgarbe landen in der Hirschblase, die Kamillenblüten im Rinderdarm, die Löwenzahnblüten werden im Rindergekröse eingewickelt und verschnürt. Sehr speziell ist es, aus dem skelettierten Rinderschädel zunächst die Hirnmasse herauszulöffeln und die Schädelhöhle dann mit fein vermahlener Eichenrinde zu füllen.
Präparate-Treffen sind ideale Gelegenheiten, sich untereinander auszutauschen. Wie war das Jahr, wie steht´s mit der Ernte, was macht das Vieh? Viele Praktiker sagen, es ist genau der richtige Zeitpunkt im Jahr, mit der Präparate-Arbeit den weiten Blick für Zusammenhänge in der Natur zu schärfen. So wird das Herzstück der Biodynamik nicht zusätzliche Pflichtübung, sondern Chance, sich bewusst mit dem Betriebsorganismus zu verbinden.
Vor Ort auf Hof Klostersee
Knut Ellenberg von Hof Klostersee in Cismar nahe der Ostsee hat einen eigenen Rhythmus gefunden für seine Präparate-Arbeit. Er stellt sie im Jahreslauf her – wenn die Kamille blüht kommt sie frisch gepflückt in den Darm – und nimmt die Michaeli-Zeit für das Verbuddeln in der Erde. „Bei uns in Schleswig-Holstein gibt es wie in anderen Regionen auch Höfe, die das als Gruppenveranstaltung anbieten“, weiß der 58jährige, der seit vielen Jahren im Vorstand von Demeter im Norden engagiert ist. Auf Hof Klostersee nimmt er sich im September die Zeit, beim Vergraben von Kuhhörnern, Kamillenblüten-Würsten und Gekröse-Päckchen mit seinen Auszubildenden ins Gespräch zu kommen. „Das ist gar nicht so leicht“, weiß er. Beglückend, wenn dann der richtige Zugang zu diesem sensiblen Thema der spirituellen Dimension in der Demeter-Landwirtschaft gefunden wird. „Es ist ein echter Segen, wenn es gelingt, den kleinen Funken zu halten“, beschreibt Knut Ellenberg seine Erfahrung. „Ich bin mit sehr hohen Idealen verbunden und erlebe bei den jüngeren Leuten weniger nach außen gestellte Ideale. Aber ein Gleichgewichtsorgan für das Echte haben sie schon“, schildert der Bauer den Austausch. Michaeli spielt dabei durchaus eine Rolle, aber eher wie eine nachgelagerte Frage. „In der Getreidezucht funktioniert die Arbeit über das Datum der Aussaat. Da habe ich ein Bild davon, was ich tue, um Nahrungsqualität zu fördern. Bei den Präparaten ist für mich der Zeitpunkt schon wichtig, aber ich kann die Wirkungen nicht gleich mitdenken“, gibt er im Gespräch Einblick in seine Gedankenwelt rund um die feinen Wirkstoffe des Biodynamischen. Und er ergänzt: „Michaeli ist eigentlich die Summe des Jahres für mich. Es ist wie ein Scheitelpunkt. Zwischen Januar und März steht das Jahr noch offen vor mir. Im März sortiert sich, was da ansteht, wie es mit Aussaat und Futtermengen wird. Da läuft ein Strom ab, in den ich mich hineinstellen muss. Pflanzen wachsen, fruchten, werden geerntet. Die landwirtschaftlichen Motive sind um Michaeli abgeschlossen und auch die persönlichen stehen wie als vorläufiges Ergebnis klar vor mir. Nach der Michaeli-Zeit ist der Totensonntag dann für die eigenen Motive wie ein Ruhepol und im Advent erlebe ich, wie die auf uns zukommende Zukunft sich zeigt. In dem Bogen steht das Präparate-Einbringen als Ergebnis des abgelaufenen Jahres und als Vorbereitung des kommenden Jahres.“
Perspektiven der Forschung
Vor diesen tiefsinnigen Worten verblassen die sachlichen Erfahrungen der Forschenden zu den Präparaten fast ein wenig. Ihre Ergebnisse zeigen: Biodynamische Präparate steigern die Fruchtbarkeit des Bodens erheblich, was sich durch höhere Aktivität der Bodenlebewesen, den höchsten Gehalt an Biomasse und an der ausgeprägten Verwurzelung der Pflanzen darstellen lässt. Biologisch-dynamische Wiesen sind besonders kräuterreich, ergeben also vielseitiges, gesundes Futter für die Tiere, die dadurch beste Milch- und Fleischergebnisse erzielen können. Durch Forschungen über Jahrzehnte hinweg – zum Beispiel beim Schweizer Institut FIBL – ist belegt, dass die biologisch-dynamischen Präparate der Kulturlandschaft einige der Kräfte wiedergeben, die sie selbst bei bester Bewirtschaftung zwangsläufig einbüßt.
Im Speziellen zeigt sich, dass der Hornmist ordnet und die Bodenprozesse anregt. Er wird bevorzugt zur Keimung der Pflanzen gespritzt. Hornkiesel fördert das dem Sonnenlicht entgegen gerichtete Wachstum der Pflanzen und wird mehr zum Ende des Wachstums und zur Pflanzenreife hin gespritzt. Australische Physiker haben nachgewiesen, dass Quarz Licht speichern und im Boden wieder abgeben kann. Rein analytisch zeigt sich, dass die Haltbarkeit von Lagergemüse verbessert wird, Nitratgehalte reduziert sowie Zucker- und Vitamingehalte gesteigert werden. Generell wird den Präparaten eine ausgleichende, harmonisierende Wirkung zugeordnet. Bei zu viel Nährstoffangebot senken sie die Erntemenge, bei suboptimalen Bedingungen steigern sie Qualität und Ertrag.
Wer sein Auge schult, kann bereits durch exakte Pflanzenbetrachtung Unterschiede in der Morphologie von Nahrungspflanzen erkennen. Vergleiche an Gartenbohnen sind im Forschungslaboratorium am Goetheanum in Dornach (Schweiz) dokumentiert: Während die chemische Stickstoff-Düngung ungeordnetes, wucherndes Blattwachstum hervorruft, streben die biodynamisch geförderten Bohnen, die Schwerkraft quasi überwindend, geordnet der Sonne entgegen. Diese Harmonie in Vertikal- und Horizontalausbreitung vermittelt beim Betrachten Vitalität und fast so etwas wie Lebensfreude, beschreiben die Praktiker. ///
Zu den wissenschaftlichen Forschungsergebnissen der biodynamischen Landwirtschaft haben wir auf der Website von info3 eine Übersicht zusammengestellt:
Wer die Präparate-Arbeit unmittelbar kennenlernen will, kann für diese Termine direkt bei den Höfen anfragen: Samstag, 30.09.2023, 11–15 Uhr, Mönchhof, Gut Mönchhof 2, 37290 Meißner-Abterode; Mittwoch, 27.09.2023, 11–15 Uhr, Hof Fleckenbühl, Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe; Freitag, 29.09.2023, 11–15 Uhr, Ort: Hofgut Oberfeld, Erbacher Straße 125, 64287 Darmstadt
Die Kompostpräparate
Sie werden in kleinen Mengen Mist, Pflanzenkompost oder Gülle beigegeben und dann damit aufs Land verteilt. Sie strukturieren den Kompostierprozess, fördern die harmonische Verrottung, dienen damit dem lebendigen Aufbau des Bodens. Nachweislich bewirken sie eine Verbesserung des Humusaufbaus und der Bodenstruktur.
Schafgarbenpräparat: Blüten in Hirschblase, fördert die Anpassungsfähigkeit an den Standort, wirkt belebend, fördert Kalium-Schwefelprozesse.
Kamillenpräparat: Kamillenblüten im Rinderdarm, macht den Dünger stickstoffbeständiger.
Brennnesselpräparat: Brennnessel in Erde, wirkt strukturverbessernd auf den Boden.
Eichenrindenpräparat: Eichenrinde in Schädel, bringt die formgebenden Kräfte genau dahin, wo sich sonst Pflanzenkrankheiten entwickeln könnten, regt Calciumprozesse an.
Löwenzahnpräparat: Blüten im Rindergekröse, Kieselsäure wird angezogen.
Baldrianpräparat: Saft oder Auszug aus den Blüten, vergoren, kommt ohne tierische Hülle aus, vermittelt dem Boden die Fähigkeit, sich dem Phosphor-Angebot gegenüber richtig zu verhalten, wirkt zudem in Blüten- und Fruchtbildung.
Die Spritzpräparate
Hornmist: Hörner mit Kuhfladen gefüllt. Ein halbes Jahr haben sie in der Erde Zeit, kosmische Kräfte und die Energie der tierischen Hülle zu sammeln. Die verwandelte, wohlriechende, dunkel-erdige Masse aus den Hörnern wird beim Rühren im Wasserfass dynamisiert. Sie fördert mikrobielle Aktivität, bessere Durchwurzelung und Wasserspeicherfähigkeit des Bodens.
Hornkiesel: Fein vermahlener Quarz im Kuhhorn, vermittelt Lichtenergie und fördert harmonische Wachstums- und Reifeprozesse und die Fotosynthese der Pflanzen, stärkt Widerstandskraft der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge.
Wo alles begann: Steiners Grundlagenkurs
Der so genannte „Landwirtschaftliche Kurs“ – acht Vorträge gehalten im Juni 1924 in Koberwitz – ist das geistige Fundament der biodynamischen Gemeinschaft auf allen Kontinenten. Diese besondere Agrar- und Ernährungskultur geht über das schlichte Weglassen von chemischen Dünge- und Spritzmitteln oder Zusatzstoffen weit hinaus. Der entscheidende Unterschied liegt in einem erweiterten Verständnis der Landwirtschaft begründet. Steiner erklärte den Praktikern 1924, dass Landwirtschaft mit dem ganzen Kosmos zusammenhängt. Was viele vielleicht vor allem durch das Phänomen der Gezeiten kennen, ist viel weitreichender und bedeutet letztlich, zu verstehen, dass alles miteinander verbunden ist.
Literaturtipp: Peter Krause, Anthroposophische Grundlagen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, 3 Bände, einzeln erhältlich.https://www.info3-shop.de/produkt/anthroposophische-grundlagen-der-biologisch-dynamischen-landwirtschaft-band-2/