„Seid Ihr auch so gespannt auf nächste Woche“, hatte der „Anthroblogger“ Oliver Rautenberg (siehe info3 November 2022) auf Twitter am 9. November angekündigt und dazu ein Foto gepostet, das an fließende Fäkalien erinnert.* Am Freitag, den 18. November 2022 war es dann so weit: Deutlich synchronisiert nehmen zwei Fernsehbeiträge im ZDF und gleich mehrere Medienportale Rudolf Steiner, Anthroposophie und Waldorfpädagogik unter Beschuss. In praktisch jedem Beitrag persönlich mit dabei: „Experte“ Oliver Rautenberg.
In der Comedy-Show ZDF Magazin Royale von Jan Böhmermann heißt es einleitend über die Waldorfschulen: „Ein Konzept mit außergewöhnlichen Ansätzen und einem fragwürdigen Erfinder mit Hang zu Rassenlehre und Esoterik.“ Steiners Ideen werden teilweise in Comic-Form präsentiert, Lacher garantiert. Besondere Kritikpunkte: Steiners (auch von ihm selbst korrigierte) „Wurzelrassen“-Terminologie und die (grundgesetzlich garantierte) staatliche (Teil-)Finanzierung der Waldorfschulen.
Böhmermann beruft sich für seine Recherche vollumfänglich auf das Online-Magazin Krautreporter, wo passend zum Thema am 18. 11. gleich vier Beiträge des Nachwuchs-Journalisten Bent Freiwald präsentiert werden, (voll zugänglich allerdings nur nach Anmeldung). Einer davon ist betitelt: „So viel Geld steckt der deutsche Staat in Waldorfschulen – ohne systematisch zu prüfen, was damit passiert.“ In einem anderen Beitrag betreibt der Autor klassische Täter-Opfer-Umkehr: „So werden Waldorf-Kritiker:innen eingeschüchtert“. Dass seit Monaten ein medialer Feldzug gegen die Waldorschulen geführt wird, wird nicht erwähnt. Weitere Themen: Die Ausbildung von Waldorflehrern und Gewalttaten an Waldorfschulen.
Ebenfalls im ZDF, allerdings zunächst nur in der Mediathek, erscheint am 18.11. auch Jochen Breyers Sendung Am Puls Deutschlands zum Thema Anthroposophie. Breyer hat dafür unter anderem das Goetheanum in Dornach, einen biodynamisch geführten Hof und das Krankenhaus Havelhöhe besucht. Er lässt seine Gesprächspartner zu Wort kommen, hat aber selbst eine klare Botschaft: Er zeigt sich „erschreckt“ darüber, wie tief die Anthroposophie in unsere Gesellschaft eingedrungen ist und fragt: „Wie gefährlich kann das sein?“. Insbesondere die Dimensionen, die über das naturwissenschaftlich Gängige hinausgehen irritieren ihn. Und er wirft der Szene „Doppelsprech“ vor.
- Zusätzlich am 18.11. bringt die Plattform Volksverpetzer einen Text von Matthias Meisner über einen Podcast der Heinrich Böll Stiftung und der Petra Kelly Stiftung. Dort hatte der Journalist und Anstalt-Redakteur Dietrich Krauss die Anthroposophie als „menschenfeindliche Ideologie“ bezeichnet. Die Anthroposophische Gesellschaft hat daraufhin interveniert und die beiden Stiftungen zogen den Podcast bis auf weiteres zurück. Meisner stilisiert nun Krauss als Opfer, und als Experte wird Rautenberg mit der Bemerkung zitiert, Anthroposophen betrieben „vehemente Angriffe auf kritische Journalisten“.
- Und am gleichen Tag erscheint auf dem Portal Übermedien noch ein Angriff auf den Medienexperten und PR-Berater Prof. Christoph Fasel, der in einer schon Monate zurückliegenden Studie für die Anthroposophische Gesellschaft und den Bund der Freien Waldorfschulen die mangelnde Seriosität von Oliver Rautenberg als Journalist herausgearbeitet hatte.
Unmittelbar nach der Ausstrahlung im ZDF reagierte der Bund der Freien Waldorfschulen mit einer Stellungnahme: www.waldorfschule.de/artikel/zdf-magazin-royale-jan-boehmermann
Ausführliche Informationen zu den Hintergründen von Oliver Rautenberg und den Anthroposophie-Angriffen finden Sie bei info3: https://zeitschrift-info3.de/november-2022/materialismus-contra-anthroposophie-wer-ist-rautenberg/
- Hinweis: In einer früheren Version begann dieser Text mit dem Satz: “Der „Anthroblogger“ Oliver Rautenberg hatte auf Twitter schon ein paar Tage vorher einen geballten Shitstorm angekündigt.” – Zur Verdeutlichung haben wir nun das wörtliche Twitter-Zitat Rautenbergs und den Hinweis auf sein dabei verwendetes Symbolbild hinzugefügt.