Von Hans-Jürgen Bracker
Johannes Kiersch ist am 21. Dezember 2024 gestorben. Dankbar sei seiner gedacht; von dem vielen Wesentlichen, das hier fehlen muss, sei zumindest seine Liebe zur Sprache erwähnt.
Der damals jüngste Mitinitiator und -begründer des Wittener Instituts für Waldorfpädagogik am Annener Berg lebte seit dem Beginn seiner Tätigkeit an der Rudolf-Steiner-Schule Ruhrgebiet 1964 in Bochum. Mit ganzem Herzen war der Idealist mit der prägnanten Denkerstirn Pädagoge: zunächst als Lehrer, seit 1973 als Dozent, Förderer, Freund und herzlich verbundener Begleiter seiner Studentinnen und Studenten. Immer ging es ihm um liebevolle Ermutigung. Er dozierte nicht; zukunftsoffen erfragte, erspürte er mit seinen jungen Mitstreitern, was sie in ihrer jeweiligen individuellen Situation voranbringen könnte. Einsatz, seelenwarme Zugewandtheit, Verbindlichkeit und Einfühlsamkeit waren sein Wesen.
In der Studienzeit in Tübingen waren Diether Lauenstein und Gerhard Kienle verehrte Lehrer der Anthroposophie, der Priester Siegfried Gussmann wies ihm den anthroposophischen Seelenkalender als Einstieg in die Meditation; Kommilitonen waren sein Lebensfreund Eginhard Fuchs, Manfred Krüger und die späteren Herdecker Ärzte Konrad Schily und Hans-Christoph Kümmell.
In all seinem Wirken focht er – streitbar, sachlich, konziliant – für den Impuls der Freiheit, im Bildungswesen und allgemein für die freie Entwicklung der Autonomie des Individuums. Und für eine werdende Anthroposophie als Aufklärung, als „Kontrastprogramm gegen jede Art der Technokratie im Geistesleben“, wie er einmal schrieb.
Das Gespräch mit der akademischen Erziehungswissenschaft führte er über Jahrzehnte als „Versuch eines Brückenschlags“. Kiersch war kein Schwarz-, sondern ein Hell-Seher. Dankbar sah er in allem mutmachende Lichtfunken, in Kritik, auch in Fehlern: Aus ihnen galt es zu lernen. Rudolf Steiner nahm er jederzeit in Schutz, auch vor jenen, die ihn seiner Menschlichkeit berauben, indem sie ihn als unfehlbar-unerreichbaren Übermenschen in fremde Fernen rücken wollen. Die Waldorfschulen, ja die ganze anthroposophische Bewegung sah er in der Gefahr der Selbstisolierung, besorgt blickte er auf die verschämte Negation ihrer Essenz, der freien Esoterik.
Die Familie hatte unter seinem Engagement durchaus zu leiden: „Er war nie da“, hieß es einmal; dagegen ein ehemaliger Student: „Er war immer da!“ – nämlich im Institut.
Bis zuletzt publizierte er, unablässig; doch schon 2010 schrieb er mir, er habe „eigentlich Lust, mich mehr mit diesen kleinen Himmelsboten“ (seinen Enkeln und Urenkeln!) zu beschäftigen.
Danke, lieber Johannes, möge dein Andenken ein Segen sein!
Hans-Jürgen Bracker war Schüler von Johannes Kiersch in der Waldorf-Ausbildung in Witten-Annen. – Der Info3 Verlag verdankt Johannes Kiersch mehrere Bücher und darüber hinaus eine jahrelange herzliche Wertschätzung unserer Arbeit. Er wird fehlen.