„Gefällt dir unsere Schule, Rudolf Steiner?“

Fröhlicher Schüler. © Racle-Fotodesign, AdobeStock
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Aus “Beziehungsweise Schule” – der info3-Kolumne von Nadine Mescher.

Und schon ist wieder März! In diesem Jahr ist es sogar ein ganz besonderer März, denn es jährt sich der Todestag von Rudolf Steiner zum 100. Mal. Auch in unserer Schule wird dies erlebbar werden, ebenso wie der 100. Geburtstag der Waldorfschulen im Jahr 2019 gefeiert wurde.

Entgegen vieler Behauptungen ist Rudolf Steiner jedoch in der Schülerschaft gar nicht so präsent im Alltag. Daher habe ich neulich meine Klasse in unserer gemütlichen Runde gefragt, was sie denn Rudolf Steiner gern fragen würden, wenn er hier und heute durch unsere Klassenzimmertür käme. „Gefällt dir unsere Schule?“ – „Hättest du gedacht, dass es mal so viele Schulen auf der ganzen Welt gibt?“ – „Würdest du deine Schulidee heute nochmal so machen?“

Besonders die letzte Frage hat mich doch sehr zum Nachdenken angeregt. Danke, liebe siebte Klasse! Zum Glück gibt es diese Kolumne, in der meine Gedanken einen so schönen Raum bekommen. So meine ich, dass sich Rudolf Steiner darüber freuen würde, wie die von ihm gegebenen Grundprinzipien heute noch genauso gelten wie früher. Wenn man daran denkt, dass die Gründung der ersten Schule vor dem Eindruck des Schreckens nach dem ersten Weltkrieg stattfand, ist auch die heutige globale Weltlage recht undurchsichtig, herausfordernd und in Teilen unsicher. Damals wie heute gilt es, unsere Kinder für die Zukunft in der Weise vorzubereiten, dass sie mit Herz und Seele und vor allem mit beiden Beinen fest im Leben stehend ihre Zukunftsaufgaben ergreifen können. Genau deshalb ist es wichtig, auch im digitalen Zeitalter nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten zu fördern, sondern auch das Handwerklich-Praktische, das Künstlerische, das Soziale. Für Letzteres stehen die Bindung an feste Bezugspersonen (Klassenlehrer:innen) und die Bildung einer Klassen- und Schulgemeinschaft als echtes Netzwerk. Die Bedeutung des Vorbildcharakters der Lehrenden und das Ausüben sinnvoller Tätigkeiten im Lernprozess sind auch nach 100 Jahren nicht veraltet!

Im Schulalltag bilden eine vorhersehbare Struktur und die Rhythmisierung von Abläufen einen verlässlichen Bestandteil unserer gemeinsamen Zeit. Auch das große Anliegen, jedes Kind in seiner Einzigartigkeit zu unterstützen und sein Selbstvertrauen aufzubauen, ist heute so wichtig wie damals. Neben all dem Guten, das einfach nicht altert – weil Kinder eben Kinder sind – wäre Rudolf Steiner aber sicherlich auch froh zu sehen, dass aus seiner Bewegung heraus neue pädagogische Ideen entstehen und Manches auch zeitgemäß weiterentwickelt wird. So gibt es in meinem Klassenzimmer wenig Frontalunterricht, dafür schülerzentrierte Unterrichtsformen und viele Projekte. Neurodivergente Kinder sind mir eine wundervolle Bereicherung.

Wenn Rudolf Steiner durch unsere Klassenzimmertür käme? Er würde ganz sicher auch kritisch schauen, ob seine Lehren heute als unveränderliche Dogmen betrachtet werden. Denn dann würde er zu einer zeitgemäßen Weiterentwicklung ermutigen. Alles in allem wäre er sicherlich erfreut, dass es bis heute so viele tüchtige Kinder und Jugendliche gibt, die an Waldorfschulen ihre Lebensaufgabe ergreifen!

Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe März 2025.

Über den Autor / die Autorin

Nadine Mescher

Nadine Mescher ist Waldorflehrerin und freie Autorin. Seit die eigenen drei Kinder groß geworden sind, publiziert sie Pädagogisches, unter anderem auf montagskindblog.de und bei Instagram.

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