Waldorfpädagogik zwischen Tradition und Zukunft
Reformschule? • Meditation im Unterricht? • Geisteswissen methodisieren?
Zeitschrift Info3, Ausgabe Juni 2016
Nach längerer Zeit widmen wir uns in diesem Heft wieder einmal dem Thema Waldorfpädagogik.
Der Artikel von Matthias Fechner über gemeinsame Aspekte der frühen Reformschulen und der entstehenden Waldorfschule ist dabei der vielleicht originellste Beitrag. Größtenteils aus neu erschlossenem Archivmaterial der Odenwaldschule entstanden, kann der Autor nachweisen, dass und wie grundlegende Elemente der Waldorfpädagogik in einem insgesamt innovationsfreundlichen pädagogischen „Feld“ in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sind.
Wir freuen uns, diesen echten Forschungsbeitrag präsentieren zu können, der nebenbei auch beispielhaft zeigt, wie wichtig Rudolf Steiner in seinem Schaffen das Aufgreifen von Impulsen war, die „in der Zeit lagen“.
Um genau einen solchen, und zwar gegenwärtig in der Zeit liegenden Impuls geht es auch dem norwegischen Waldorflehrer Christian Egge in seinem Text. Er wirbt für die Idee, mit Schülern auch an Waldorfschulen Achtsamkeitsmeditationen zu praktizieren, die sich an Regelschulen immer mehr bewähren. Aus seinem gründlichen und umfassenden Überblick, den der Autor vor allem aus Erfahrungen in England und Skandinavien gewonnen hat, haben wir für dieses Heft eine Auswahl getroffen, von der wir hoffen, dass sie auch in der deutschen Waldorfschul-Landschaft eine fruchtbare Diskussion anregen kann. „Hier gibt es Raum für gegenseitiges Lernen und gegenseitige Inspiration“, ist Christian Egge sicher.
Die Weiterentwicklung und selbstkritische Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Waldorfpädagogik steht im Mittelpunkt unseres dritten Schwerpunktbeitrags. Darin gibt Jost Schieren Einblicke in den von der Alanus Hochschule schon seit Längerem verfolgten Prozess, Waldorfpädagogik und die akademischen Wissenschaften in einen Dialog zu bringen. Denn oft hört man – verständliche – Klagen darüber, dass die großen Erfolge der Waldorfschulen in der nach neuen Lösungen ringenden, allgemeinen Bildungsdebatte bisher viel zu wenig berücksichtigt werden.
Dass diese Debatte in einer Sprache geführt wird, in der „Waldorf“ fast gar nicht vorkommt, liegt aber auch daran, dass die Waldorfwelt es lange Zeit versäumt hat, ihr Tun überhaupt in der Sprache der Wissenschaft zu kommunizieren. Aufgrund fehlender wissenschaftlicher Präsenz ist sie wohl praktisch, aber kaum bildungswissenschaftlich wahrnehmbar gewesen.
Es ist eine alte Erfahrung: Wenn ich möchte, dass sich die Welt für mich interessiert, muss ich mich auch für die Welt interessieren.