Singende Topfpflanzen und musizierende Bäume

Maximilian Moser bei der Arbeit
Maximilian Moser bei der Arbeit.

Auch Pflanzen haben Sinneswahrnehmungen und sind mit ihrer Umgebung im Austausch.

Diese Fähigkeiten rückt der gemeinnützige Verein Freundschaft mit der Natur auf originelle Weise ins Bewusstsein: Innere Rhythmen ebenso wie Reaktionen auf die Umgebung werden mittels eines elektronischen Geräts in Töne übersetzt. Diese Musik der Pflanzen will vor allem Kinder für die Vielfalt der Pflanzenwelt begeistern und mit ihr in Verbindung bringen, wie Prof. Maximilian Moser vom Human Research Institute in Weiz/Österreich, erklärt.

Interview: Laura Krautkrämer

Herr Professor Moser, wir wissen heute, dass Pflanzen miteinander kommunizieren – stimmt es, dass sie auch einen Hörsinn haben?
Ja, eine neuere Studie hat zum Beispiel festgestellt, dass blühende Pflanzen 20 bis 30 Prozent mehr Zucker im Nektar produzieren, wenn sie den Summton einer Biene hören. Bei anderen Geräuschen, etwa einem vorbeifahrenden Traktor, passiert das nicht. Sie können auch selbst Töne produzieren. Man kennt das vielleicht von Bäumen: Wenn es zu trocken ist, machen sie Knackgeräusche. Die Botaniker vermuten, dass dies der Kommunikation zwischen den Bäumen dient, wenn es zu trocken ist. Pflanzen sind extrem kooperativ, es kann durchaus sein, dass über ihre Wurzelnetzwerke ein Austausch von Flüssigkeiten stattfindet.

In Ihrem Projekt geht es nicht nur um Knackgeräusche, sondern sogar um Musik. Wie kommt es dazu?
Was wir machen, ist eine künstlerische Interpretation der vegetativen Rhythmen. Bäume etwa haben im Inneren aufsteigende Flüssigkeitsströme, die von den Wurzeln kommen und durch die äußerste Schicht des Holzes Nährstoffe und Wasser vor allem zu den Blättern transportieren. Außerdem gibt es absteigende Ströme, die den Zucker in die Wurzeln bringen und dort speichern. Diese spielen sich die meiste Zeit im Bast ab, das ist die innere Rinde gleich unter der Borke. Beide Bewegungen sind nicht kontinuierlich, sondern rhythmisch, wie alles im Leben. Sie schwingen ungefähr in Zehn-Sekunden-Rhythmen, werden stärker und schwächer.

Wie wird aus diesen Schwingungen Musik?
Wir haben ein kleines Gerät entwickelt, das den elektrischen Widerstand misst und mit einem Algorithmus in Töne übersetzt. Wenn die Ströme zunehmen, sinkt der Widerstand und die Tonfolge geht nach unten – und andersherum. So entsteht die „Musik der Pflanzen“ – und wir beobachten mit großem Erstaunen, wie musikalisch sie sein können! Es scheint außerdem so zu sein, dass sie auf Menschen reagieren, die sich ihnen nähern. Mit diesem Forschungsthema wollen wir vor allem Kinder begeistern. Indem sie mit den Pflanzen gemeinsam singen und musizieren, stellen sie fest, dass diese Persönlichkeiten haben, mit denen sie Freundschaft schließen können.



Wie reagieren Menschen, die so etwas zum ersten Mal erleben?
Erwachsene meistens mit Unglauben und Skepsis. Viele versuchen erstmal, die Pflanze auszutricksen oder fragen, wie man die Beobachtung sonst noch verifizieren könnte. Kinder sind offener und nehmen einfach das Phänomen wahr. Sie sind in der Regel völlig fasziniert und wollen wissen, wie der Baum vorm Fenster klingt, das Gras oder die Rose im Garten. Sie gehen mit dem Gerät überall herum und probieren das aus. Und sie sehen ja: Wenn sie den Apparat abstecken, hört die Musik auf, wenn sie ihn anstecken, fängt sie wieder an.Diese Faszination nutzen wir, um die Kinder wieder stärker in Kontakt mit der Natur zu bringen. Wir haben zum Beispiel eine Zimmerpflanze genommen, die lange Zeit verstaubt und unbeachtet in einer Ecke des Klassenzimmers stand. Wir haben sie gereinigt, die Kinder haben für die Pflanze gesungen und auf diese Weise begonnen, mit ihr zu interagieren – was sehr berührend war, auch für die erwachsenen Zuschauer.

Welche Rolle spielen weitere Sinne?
Unsere Sinne sind unser Tor zur Welt, deshalb wollen wir möglichst viele davon einbinden. Wir horchen mit den Kindern nicht nur auf die Geräusche des Waldes, sondern ermuntern sie auch, ihre Umgebung zu fühlen und mit dem Tastsinn zu erkunden. Oder sie zu riechen: Jede Pflanze riecht unterschiedlich, darüber hinaus an der Wurzel anders als an der Blüte oder den Blättern. So führen wir die Kinder von vielen Seiten an diese Sinnlichkeit heran, die der Mensch ursprünglich hatte.

Die Pflanzenmusik ist dabei eine große Hilfe, weil sie so überraschend ist und Technik in einem positiven Sinn nutzt. Mit Handys sind die Kinder alle vertraut – wenn sie dann sehen, dass so etwas Ähnliches einer Pflanze Töne entlockt, dann finden sie das spannend. Ich glaube, dass diese Methode und die Hinwendung zu den Pflanzen einen ganzen Kosmos von Möglichkeiten eröffnet, um die Natur als beseelte Sphäre zu erleben. Das spielt auch für den Schutz der Biodiversität eine große Rolle, weil wir dann nicht aus Angst, sondern aus Begeisterung, Interesse und Freundschaft unsere Umwelt schützen. ///

Der Beitrag stammt aus der Zeitschrift info3, Mai 2025.