Geschenke, die keine sind – oder doch?

Fröhlicher Schüler. © Racle-Fotodesign, AdobeStock
© Racle-Fotodesign, AdobeStock

Aus “Beziehungsweise Schule” – der info3-Kolumne von Nadine Mescher.

Gegen Ende des Jahres stapeln sich im Lehrerzimmer und auf meinem Schreibtisch wieder viele kleine Päckchen. Selbstgebackene Kekse, gebrannte Mandeln in hübschen Tütchen, eine handgeschriebene Karte mit schiefen Buchstaben. Es ist die Zeit, in der man sich gegenseitig etwas schenkt – aus Dankbarkeit, aus Gewohnheit, aus dem Bedürfnis, etwas zurückzugeben. Und doch, wenn ich ehrlich bin, sind die schönsten Geschenke, die mir im Gedächtnis bleiben, meist in unsichtbarem Geschenkpapier verpackt.

Meine Klasse mit ihren neu einzuschulenden Patenkindern zu sehen, das war und ist so ein Geschenk. Sehe ich die Bilder vor meinem inneren Auge, wie sie die Kleinen an der Hand zum Rosenbogen führen, steigt da noch immer eine wirklich sehr warme Freude in mir auf. Oder als die Drittklässlerin, die eigentlich nur ganz selten mit Lehrkräften überhaupt spricht, plötzlich um die Ecke geflitzt kam und mir einfach mal einen urkomischen Witz erzählt hat. Was haben wir gelacht. Und ich konnte diese ganze Situation gar nicht fassen. Solche Momente sind wie kleine, unscheinbare Geschenkpäckchen, die sich mitten im Alltag öffnen – ganz besonders dann, wenn man überhaupt nicht damit rechnet. Und zum Jahresende, wenn es wieder dunkler und leiser wird, tragen genau diese schönen Erlebnisse.

Übrigens gibt es sie auch im Kollegium, diese stillen Geschenke, wenn jemand einfach einen Unterricht übernimmt, obwohl er selbst genug zu tun hätte, oder wenn ein verschlafenes Nicken am Kopierer morgens sagt: Schön, dass du da bist. In einer Schule, in der so viel läuft, selbst organisiert, gemeinsam erarbeitet und auf die Beine gestellt wird, sind genau das die Gesten, die mich wirklich berühren und auch durch den Alltag tragen.

Vielleicht ist es überhaupt das Wesen von Schule, dass die wahren Geschenke nie geplant sind. Sie passieren einfach so, manchmal entdeckt man sie auch im Rückblick. Meine achte Klasse hat sich in diesem Jahr so verändert. Wie sie Rücksicht auf die Erstklässler nehmen und ihnen – manchmal schon zu viele – Dinge hinterhertragen und so lieb an alles denken. Wie sie sich gegenseitig coole Sprüche an den Kopf werfen und sich im nächsten Moment dann doch umarmen.

All das sind Momente, die zeigen: Wir sind keine Lernfabrik, hier lebt Menschlichkeit, hier wird gewachsen. Es wird diesmal die letzte Klassen-Weihnachtsfeier mit meiner Klasse sein. Wie jedes Jahr sitzen wir im Kreis, in der Mitte die Wichtelgeschenke. Ich muss meinen „Super-Waffelteig“ mitbringen und den Punsch mit dem Geheimrezept machen, dann beduften wir nebenbei die Schule mit Zimt und Waffelgeruch. Jede unserer Weihnachtsfeiern war ein Riesengeschenk für alle Beteiligten.

Vielleicht sollten wir zum Jahresende genau das feiern – stille Zeichen von Entwicklung – die mit dem unsichtbarem Geschenkpapier –, die vielen Erinnerungen, die uns nie verloren gehen werden. Wenn ich also in den letzten Schultagen auf meinen Schreibtisch blicke, zwischen Kekskrümeln, leeren Teetassen und schönen Karten, dann denke ich: Die besten Geschenke sind zum Glück längst verteilt. Und das Beste daran – sie bleiben für immer

Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe Dezember 2025.

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Über den Autor / die Autorin

Nadine Mescher

Nadine Mescher ist Waldorflehrerin und freie Autorin. Seit die eigenen drei Kinder groß geworden sind, publiziert sie Pädagogisches, unter anderem auf montagskindblog.de und bei Instagram.

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