Ein fataler Beschluss

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Auf dem zurückliegenden Deutschen Ärztetag wurde mit knapper Mehrheit ein Beschluss durchgesetzt, der die Homöopathie ins Abseits drängen will. Dagegen regt sich Widerspruch.

Zuletzt war das von Gesundheitsminister Lauterbach vorgesehene Ende der Erstattung homöopathischer Arzneimittel durch die Krankenkassen überraschend aus einem Gesetzentwurf wieder herausgenommen worden (info3 berichtete). Nun hat der 128. Deutsche Ärztetag am 10. Mai mit knapper Mehrheit der Anwesenden einen Antrag beschlossen, dessen Umsetzung das komplette Ende der Homöopathie in Deutschland bedeuten würde. Insbesondere soll Ärzten künftig die Ausübung von Homöopathie verboten werden – mit Androhung von Berufsverbot. Betroffen wären rund 6.000 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland mit der Zusatzqualifikation für homöopathische Medizin – und selbstverständlich hunderttausende von Patientinnen und Patienten, welche diese Form der Medizin schätzen. Der Beschluss fordert ebenfalls, die Einstufung der Homöopathika als Arzneimittel und die Apothekenpflicht für sie abzuschaffen, was diesen Ansatz komplett aus dem öffentlichen Gesundheitswesen verdrängen würde. Das Motto des diesjährigen Ärztetages lautete übrigens „Demokratie, Freiheit und Pluralismus“.

Der Anti-Homöopathie-Antrag war federführend von Dr. Marc Hanefeld zusammen mit 14 weiteren Ärzten gestellt worden. Hanefeld gehört dem Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) an, einer Organisation, die sich dem Kampf gegen Homöopathie verschrieben hat (info3 berichtete). „Pseudomedizinische Methoden wie die Homöopathie gehören nicht in ärztliche Hände. Durch ihre Anwendung durch Ärztinnen und Ärzte wird das notwendige Vertrauen in die Medizin als Fachgebiet sowie die Wissenschaft allgemein untergraben“, heißt es in der schriftlichen Antragsbegründung. „Zusätzlich besteht das Risiko der Förderung einer wissenschaftsskeptischen Haltung und eines Vertrauensverlustes in die wissenschaftliche Medizin“.  

Der Antrag war während des Ärztetages durchaus umstritten, eine ausführliche Aussprache wurde jedoch verhindert. Der Beschluss des Ärztetages brüskiere ohne Not “Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, die Tag für Tag und mit Umsicht und Leidenschaft für ihre Patientinnen und Patienten da sind“, kommentierte der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte. „Eine Medizin, die nicht auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patient:innen eingeht, verliert ihre Glaubwürdigkeit und Relevanz“, sagte der anthroposophische Arzt und Sprecher der Aktion Weil’s hilft, Dr. Stefan Schmidt-Troschke zu dem Vorgang. „Würde die Politik dieser Empfehlung folgen, wäre das eine radikale Beschneidung des gesetzlich verankerten Methodenpluralismus sowie der Therapiefreiheit“, meinte auch die Gesellschaft anthroposophischer Ärzte in Deutschland.

Der Antrag erhielt auf dem Ärztetag nur eine knappe Mehrheit von 117 Ja- gegen 97 Nein-Stimmen. Er zieht unmittelbar keinerlei rechtliche Folgen nach sich. Es wird aber damit gerechnet, dass er als Vorlage für weitere politische Einschränkungen der Homöopathie dienen könnte.  

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Über den Autor / die Autorin

Jens Heisterkamp

Jens Heisterkamp, geboren 1958 in Duisburg, wuchs im Ruhrgebiet auf. Er studierte an der Ruhruniversität Bochum Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie und wurde 1988 zum Dr. phil. promoviert. Nach der Begegnung mit der Anthroposophie lernte er während seines Zivildienstes die Heilpädagogik kennen und arbeitete als Dozent in der Erwachsenenbildung, kurzzeitig auch als Waldorflehrer, dann als Herausgeber und Autor. Seit 1995 ist er verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift info3 sowie Verleger und Gesellschafter im Info3 Verlag in Frankfurt am Main. Seine Themen sind Dialoge in Religion, Philosophie und Spiritualität, Offene Gesellschaft, Ethik.