Als wir unlängst zur Wartung unserer Gastherme einen Installateur im Haus hatten, schluckte ich, als er mir die Rechnung in die Hand drückte: Seine 45-minütige Dienstleistung schlug mit 189 Euro zu Buche. Auf meinen Kommentar hin, dass ich das als stolzen Preis empfände, erklärte er mir, das sei eine günstige Servicepauschale, denn er habe als Techniker einen Stundensatz von 135 Euro und wenn er zusätzlich noch die Anfahrt berechnen würde, kämen wir auf weit über 200 Euro. Unwillkürlich denke ich an meine Beratungen und frage mich, ob mich Privatpersonen wohl noch buchen würden, wenn ich derartige Preise aufrufen würde. Bei der Gastherme kommen wir nicht ohne Fachmann aus, die müssen wir überprüfen lassen. Wie sieht es mit dem eigenen Entwicklungsweg aus?
Aktuell bin ich viel mit meinem neu erschienenen Buch unterwegs und stoße bei Veranstaltern und Bildungshäusern auf große Bereitschaft, mich zu Lesungen einzuladen. Einer der häufigsten Nebensätze lautet: „… aber Honorar können wir keines bezahlen.“ Ich lasse mich darauf ein, weil es mir wichtig ist, die Inhalte in die Welt zu bringen und weil ich zum Glück nicht davon leben muss. Zugleich denke ich an die horrenden Tagessätze, die Referenten in der freien Wirtschaft nicht nur fordern, sondern auch bekommen. Ist deren Lebenszeit kostbarer als meine? Sind die Inhalte, die sie transportieren, wichtiger?
Nein, natürlich ist der Grund nicht bei mir individuell zu suchen, sondern darin, dass unser gesamtes Wertesystem auf dem Kopf steht. Aus welchem Grund verdient ein Börsenmakler ein Vielfaches von einem Altenpfleger oder einer Erzieherin? Warum nehmen wir es als Gesellschaft stillschweigend hin, wenn der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé seine Ankündigung, bis Ende 2027 weltweit 16 000 Stellen zu streichen, damit begründet, dass „die Wachstumsdynamik beschleunigt werden müsse“? Wenn 16 000 Menschen und deren Familien ihr Einkommen verlieren, ist völlig klar, dass das einzige, was wächst, der Gewinn des Giganten und seiner Aktionäre ist.
Nicht nur bei der Entlohnung steht die Welt Kopf, sondern auch im Umgang mit Menschen, die die für unsere Gesellschaft wirklich wesentlichen Aufgaben übernehmen wollen. Ein Student für das gymnasiale Lehramt erzählt, Kommilitonen brechen das Studium ab, weil Referendare innerhalb Bayerns halbjährlich versetzt werden und oft erst zwei Wochen vorher erfahren, dass sie umziehen müssen. Hat einer der Entscheider je versucht, kurzfristig etwa in München eine bezahlbare Wohnung oder auch nur ein Zimmer zu finden? Eine Studentin des Fachs Lehramt für Mittelschulen berichtet, die Rahmenbedingungen seien schwer erträglich und man munkele, ihr Unterrichtsgebäude gälte als einsturzgefährdet; sie ziehe das Studium trotzdem durch, weil sie ihren Traum vom Lehrberuf an der Mittelschule nicht aufgeben wolle. Zur selben Zeit erzählt mir ein in einem High-Tech-Konzern Beschäftigter, dass in ihrem schicken neuen Glaspalast auf 1700 Quadratmetern meist nur drei Mitarbeiter arbeiten, weil alle, die nicht vor Ort an Geräten schrauben müssen, im Homeoffice sind. Welche Rahmenbedingungen schaffen wir für welche Berufsgruppe und welche Wertschätzung bringen wir wem entgegen?
Wir können nur in unserem eigenen Wirkungskreis etwas ändern. Vielleicht wäre das ein schönes Adventsprojekt: Jeden Tag im Advent jemandem in irgendeiner Form Wertschätzung zollen, der in unserer Gesellschaft üblicherweise leer ausgeht. Ich bin sicher: Das Kind in der Krippe wird es freuen.
Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe Dezember 2025.



