Seit ich mir bei einem einzigen ungünstigen Schritt eine schwere Knieverletzung zuzog, ist mir schmerzlich bewusst: Ich muss etwas für meinen Körper tun und zwar nicht nur das, was mir schon immer Freude bereitet hat wie Radfahren oder Joggen, sondern es gilt, mich gezielt um den ganzen Muskelapparat zu kümmern.
Weil ich weiß, dass ich daheim die dazu nötige Disziplin nicht aufbringe, habe ich mich für ein Fitnessstudio entschieden. Nicht für eines, in dem kraftvolle Bodybuilder und flotte Ladies in bauchfreien Tops zu lauter Musik vor riesigen Spiegeln posieren, sondern ein auf das Wesentliche reduziertes Kieser-Studio.
Training für Körper …
Während ich ächzend an den Geräten hänge, schweift mein Blick durch den Saal. Ich vermute, dass ich mit meinem Lebensalter etwa im Durchschnitt liege und mir wird klar: Bei den meisten hier Übenden geht es nicht mehr darum, sichtbar muskulös zu werden, sondern wir versuchen, dem körperlichen Verfall entgegen zu wirken, um Kraft und Beweglichkeit so lange wie möglich zu erhalten.
Zu Beginn des Trainings bescherte mir der Zauber des Anfangs noch Freude am Üben. Inzwischen sind die zwei Termine pro Woche ein aus Vernunftgründen zu absolvierendes Pflichtprogramm. Doch zugegeben: Nach jedem Training fühle ich mich besser als zuvor und bin froh, mich erneut überwunden zu haben.
… und Geist
Während ich die Mitschwitzenden betrachte, denke ich darüber nach, wie wichtig es ist, neben dem Körper genauso diszipliniert regelmäßig auch den Geist zu trainieren. Dabei meine ich Geist sowohl im Sinne von spirit als auch von mind. Wie wäre es, wenn wir uns vornähmen, zumindest zwei- bis dreimal pro Woche neben dem Körper auch unser spirituelles Wahrnehmungsorgan sowie unseren Intellekt zu bewegen, zu kräftigen und dadurch zu erhalten?
Bleiben wir zunächst beim Intellekt. Genau wie bei den Muskeln kann ich auch geistig versuchen, immer wieder einmal an meine Grenzen zu gehen und sie dadurch ein wenig zu erweitern. Wir haben die Wahl: Lese ich den x-ten Krimi, der immer nach demselben Muster gestrickt ist? Oder greife ich zu einem Buch über ein politisches oder gesellschaftskritisches Thema, über das ich mich bislang nur aus dem medial vermittelten und oft bereits tendenziösen Blickwinkel informiert habe? Lasse ich mich auf mir bislang fremde Gedanken oder eine gewöhnungsbedürftige Sprache ein? Vielleicht komme ich auf den Geschmack und finde Freude an einem philosophischen Essay, einem politischen Sachbuch oder einem Klassiker der Weltliteratur. Genau wie nach dem Fitnesstraining spüre ich vielleicht auch nach der Lektüre: Das war anstrengend, aber es war gut, es getan zu haben.
“Wie gut, dass ich das gemacht habe!”
Das Gleiche gilt für eine spirituelle Praxis. Freilich kostet es Überwindung, morgens regelmäßig zu sitzen, fokussiert auf den Atem, auf ein Mantra oder was auch immer man wählt, um den unablässig plappernden Strom der eigenen Gedanken zum Schweigen zu bringen. Oder als Morgenritual ohne Handy nach draußen zu gehen und die Schönheit der Natur einfach nur achtsam wahrzunehmen, statt sie zu fotografieren. Auch da kann sich das Gefühl einstellen: Wie gut, dass ich das gemacht habe!
Christinnen und Christen feiern in diesem Monat Pfingsten und damit das Wirken des Heiligen Geistes. Nichts brauchen wir in diesen politisch unruhigen und bedenklichen Zeiten notwendiger, als einen wahrhaft Heiligen Geist. Die geistige Welt darum zu bitten, ist das Eine. Darüber hinaus sind wir eingeladen, dem Geist den Boden zu bereiten, damit er zu uns durchdringen kann.
Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe Juni 2025.