Der Algorithmus kennt keine Gnade: Seit Jahren schon blinken bei meinen Streifzügen durch Instagram und Co. mehr oder weniger dezente Anzeigen mit klarer Ausrichtung auf Frauen in der Lebensmitte. Da sind Pulver mit vielversprechenden Produktnamen wie „Hormonbalance“ und „Wechselwunder“ oder der Nährstoffmix „Meno-Komplex“. Ich stoße auf verstörende Fotos von extrem knittrigen Frauengesichtern oder bedenklich hängenden Körperpartien – mit Links zu Cremes, Massagegeräten oder gleich zu Anbietern von Schönheits-OPs. Dazu muntere Videos mit dynamischen grauhaarigen Damen, die „Stuhl-Yoga“ praktizieren. Und schließlich jede Menge Angebote mit Hormontests für den Hausgebrauch, zum Schnäppchenpreis von rund 120 Euro.
Lange Zeit galten die Wechseljahre als medizinisch, gesellschaftlich und medial unterbelichtetes Thema. Heute sind sie eindeutig zum Wirtschaftsfaktor geworden. Der dazugehörige Markt lag im Jahr 2024 laut Vogue Business bei rund 18 Milliarden US-Dollar. Schätzungen zufolge könnte er bis 2030 auf 27 Milliarden steigen. In wenigen Jahren werden weltweit über eine Milliarde Frauen in der Menopause sein. Und immer mehr Unternehmen entdecken das riesige Marktpotenzial, das in dieser Bevölkerungsgruppe steckt. Kosmetikkonzerne, Tech-Unternehmen, Arbeitgeber – alle springen auf den Zug auf.
Unternehmen wie SAP oder Kellogg’s führen interne Programme, Zusatzurlaubstage oder Zertifikate wie „menopause friendly“ ein, um erfahrene Frauen im Job zu halten – und polieren gleichzeitig ihr Image als verantwortungsvolle Arbeitgeber auf. „FemTech“ boomt: Der Begriff bezeichnet technologiebasierte Programme und Services, die das Thema Frauengesundheit in den Vordergrund rücken. Apps, Wearables und KI-Anwendungen versprechen personalisierte Begleitung durch das vermeintliche Midlife-Minenfeld. Das ließe sich als Sieg des Feminismus feiern. Doch ob die Welt wirklich auf ein „smartes Armband gegen Hitzewallungen“ gewartet hat?
Bei genauerem Hinschauen erscheint die Menopause zunehmend als Steilvorlage für immer weiter ausuferndes Gesundheits-Tracking und Optimierungsdruck. Temperatur, Herzfrequenz, Schlafqualität, Blutzucker: Alles wird gemessen, ausgewertet, analysiert. Anwenderinnen teilen höchst sensible Gesundheitsdaten und unterwerfen sich – einmal mehr! – dem fragwürdigen Diktat der Selbstoptimierung. Nach dem „After Baby Body“ kommt folgerichtig der „After Menopause Body“.
So befinden wir uns in einem permanenten Zustandsmonitoring – alles im Namen der Selbstfürsorge. Wer da nicht misst, mit eiserner Disziplin oder diskreten Eingriffen nachhilft, gilt womöglich bald schon als nachlässig oder charakterschwach. Doch um die Potenziale von Frauen in der Lebensmitte gesellschaftlich fruchtbar zu machen, braucht es mehr: Solidarität, Empathie und Interesse, interdisziplinäre Forschung statt Trend-Produktentwicklung. Dann begreifen wir die Menopause vielleicht nicht mehr als Performance-Problem, sondern als Chance – für eine neue Arbeitskultur und eine neue Gelassenheit im Umgang mit dem weiblichen Körper. ///
Dieser Beitrag stammt aus der info3-Ausgabe Oktober 2025.



